13 Regenergüsse und Regalreihen
Während ich den nächsten Bericht begann, nahmen die Medienberichte über Dürren, Überflutungen, Hitzewellen und Flüchtlingsströme zu. Selbst Europa war nicht mehr sicher vor Umweltkatastrophen. Vor unserer Haustüre, mitten in der vielleicht nicht großen, aber auch nicht winzigen 70.000 Einwohner zählenden Stadt, sahen wir zu, wie sich der Fluss gefährlich hoch seinen Weg zwischen seinem eingefassten, ihm zugestandenen Gefäß bahnte, ja wie er an Brücken züngelte und gegen deren Säulen wütete. In keiner Zeit, so schien es, war dasselbe Flussbecken leer, verlassen, ein Rinnsal in der Mitte führend. Das Bild eines traurigen Restes einer verlorenen Naturgröße drängte sich einem dann auf. Wie das Flussbett schwankte, so schien auch das Wettergeschehen merkbarer als sonst zu variieren – am selben Tag konnte es innerhalb weniger Stunden heftig regnen, die Sonne herunterbrennen und wiederum den nächsten kurzen Regenerguss darbieten. Die Wetterprognosen fielen regelmäßig ins Wasser, waren zunehmend unzuverlässig.
Das sich verändernde Klima mit den spürbaren Wetterereignissen blieb nicht ohne Folgen. Wann immer ein besonders böses Unwetter übers Land getobt hatte, gerieten manche Flächen in den Regalreihen der Supermärkte leer, noch Tage nachdem die letzten Zeichen der Sachschäden auf den Straßen und an öffentlichen Plätzen beseitigt worden waren. Die Leute bunkerten, insbesondere Pasta und Konserven. Auch Mehl und Reis wurden leergekauft. Die Hamsterkäufe verschlimmerten die Folgen unwetterbedingter Lieferausfälle.
„Das Mehl ist wieder einmal aus“, sagte ich zu Sven. Ich schloss die Tür hinter mir und leinte Remus ab, der Sven schwanzwedelnd begrüßte und sich dann sofort erwartungsvoll auf sein Kissen setzte. Er wollte seine Abendportion.
„Na, wenigstens gibt es noch Hundefutter, was Remus?“, scherzte Sven und holte das Futterglas.
„Ich mache mir Sorgen“, fuhr ich ernst fort und stelle die Einkaufstausche auf den Tisch. Von der Futterecke waren bereits Remus‘ unüberhörbare Essgeräusche zu vernehmen, verstärkt durch den Metallklang des Napfes.
„Ich weiß“. Sven nahm mich zur Begrüßung in den Arm.
„Was sollen wir tun“, fragte ich ohne Fragezeichen am Ende, bestimmt zum fünfzigsten Mal.
Niemand sagte etwas. Aus der Futterecke hörten wir nur Remus‘ geräuschvolles Wassertrinken.
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