Warum Optimismus keine Kategorie für mich ist
Warum Optimismus keine Kategorie für mich ist
Kaum ein Vortrag, nach dem ich nicht gefragt werde: Und, geht sich‘s noch aus? Was ist Ihre Einschätzung? Haben wir noch eine Chance? Manche wollen es ganz genau wissen, und fragen auch noch, wie es eigentlich mir dabei geht. Es würden doch alle Indikatoren in die falsche Richtung zeigen. Warum ich noch mit so viel Optimismus an der Sache arbeiten kann.
Ich hab‘ es mir abgewöhnt, darüber nachzudenken, für wie wahrscheinlich ich die Einhaltung von 1,7 oder 2,0 Grad halte. Weil die Wahrscheinlichkeit nichts an der Sache ändert. Und ich kann umgekehrt nichts an der Wahrscheinlichkeit ändern. Fast nichts. Aber genau dieses fast nichts tue ich. Eigentlich tue ich fast nichts anderes.
Sowohl beruflich als auch ehrenamtlich am Klima zu arbeiten, ist riskant, aber auch schön. Riskant, weil natürlich schon immer die Gefahr besteht, den Bad News zu viel Beachtung zu schenken. Meine Strategie ist: mich Dingen, die ich nicht beeinflussen kann, zwar nicht zu verschließen, aber sie eben auch nicht zu meinen Aufgaben zu machen. Stellt sich natürlich sofort die Frage, was ich denn beeinflussen kann. Ok, das kann man vielleicht nicht immer exakt beantworten. Die Präsidentenwahl in den USA jedenfalls nicht. Auch nicht jene in Brasilien, die beim letzten Mal gut ausgegangen ist. Auch nicht, wie viele Kohlekraftwerke die Chinesen noch bauen und wie schnell sie Europa mit Elektroautos überrollen. Beim Bedarf an Elektroautos in Europa kann ich aber schon ein ganz kleines bisschen mitwirken. In einer kleinen Region, die etwa ein Promille der europäischen Bevölkerung stellt (es gibt also etwa 1000 Regionen oder Stadtteile dieser Größe). Und Europa hat in diesem Zusammenhang zwei Bedeutungen: Zum einen stammt nach wie vor ein relevanter Anteil der globalen Emissionen aus Europa, zum anderen – noch wichtiger – trägt Europa eine kulturelle Verantwortung. Von Europa ist die industrielle Revolution ausgegangen, hier haben wir begonnen, Kohle zu verbrennen. Wir sollten auch die ersten sein, die (nicht nur) damit wieder aufhören.
Je enger ich den geografischen Kreis ziehe, umso mehr kann ich beitragen, eh klar. So einen Beitrag wie ich leisten noch viele andere Menschen im Land. Das nennt man gesellschaftliche Transformation: kein Beschluss einer Regierung, kein neues (entworfenes) System. Einfach viele einzelne Menschen, die an der Veränderung arbeiten. Einzelne Menschen, wer denn sonst.
Wenn man sich an den kleinen Fortschritten erfreut, macht es ja auch Spaß. Besonders gerne kooperiere ich mit anderen. Das Ganze ist mehr als die Summe … Und so. Wenn man an den Lösungen arbeitet, stellt man sich die Ergebnisse vor. Es entstehen Bilder, wie es insgesamt sein könnte. Positive Bilder, was wiederum motiviert, daran zu arbeiten. Ich glaube, das ist eine Voraussetzung: ein positives Zukunftsbild. Und dabei geht es genau nicht um Optimismus: Optimismus sieht tendenziell nur das Gute, blendet vielleicht Gefahren aus und schafft dadurch eine gewisse Erwartungshaltung. Mir genügen das positive Bild und eine reale Möglichkeit, dorthin zu kommen. Dass es andere Szenarien gibt, ist mir klar und wie wahrscheinlich die eine oder andere Variante ist, interessiert mich nur peripher.
Warum auch? Mal angenommen, ich hätte ein todkrankes Kind, und es gäbe eine Behandlung. Ich würde sie doch in Anspruch nehmen, unabhängig davon, ob die Heilungschancen bei 5, 30 oder 70% liegen. Oder? (Dieses sehr schöne Beispiel hab‘ ich von Hans-Joachim Schellnhuber ausgeliehen.)
Also einfach daran arbeiten. In meiner Umgebung; manchmal ohne, manchmal mit kleinen Erfolgen. Das wäre dann die zweite Voraussetzung: Die eigene Wirksamkeit sehen, Fortschritte wahrnehmen, dabei die Erwartungen aber nicht zu hoch schrauben.
Ich gehe davon aus, dass es in den anderen 1000 Regionen unserer Größe auch Menschen gibt, die einen Beitrag in ihrer Region leisten. Ein paar kenne ich. Bei den einen läuft‘s besser, bei den anderen weniger. Aber sie sind alle dran. Hin und wieder tauschen wir uns aus, können voneinander lernen. Das freut mich dann sehr und ich besinne mich wieder darauf, dass es natürlich nicht um das kleine Vorarlberg geht, das der Welt vorzeigt, wie es geht. Sondern um das Vorarlberg, das wie alle anderen Regionen – mehr oder weniger – den Weg in die klimaneutrale Zukunft sucht, manchmal auch findet, dann wieder vom Weg abkommt, usw.
Und davon bin ich ein Teil.
Zur Person:
Christof Drexel übernahm nach seiner Ausbildung zum Maschinenbauer den Betrieb seines Vaters in Bregenz, ein regionales Unternehmen für Lüftungsbau. Später entwickelte er hocheffiziente Kompaktgeräte für Heizen, Lüftung und Warmwasserbereitung, mit denen „drexel und weiss“ zum Technologie- und Marktführer bei der Haustechnik für Passivhäuser wurde. 2016 schied er aus dem operativen Geschäft aus, seither arbeitet er als Berater (drexel reduziert GmbH) und Autor („Zwei Grad. Eine Tonne“, „Warum Meerschweinchen das Klima retten“). Außerdem ist er Obmann von KlimaVOR! Verein zur Förderung der Klimaneutralität Vorarlbergs.