Handeln nach (Ge)Wissen
Ein persönliches Resümee
Heute konnte ich nicht umhin, mich an jenen Tag vor einem Jahr zurückzuerinnern, an dem ich meine Doktorarbeit verteidigte. Die prägendste Erinnerung ist natürlich das unbeschreibliche Nervenflattern, die Anspannung, die Ungewissheit. Doch es braucht nur wenig mehr Gedankenzeit, um sich zu fragen: Und jetzt? Und im Nachhinein – was hat meine Forschungsarbeit wirklich bewirkt? Es liegt mir fern, die Bedeutung von Forschung und Wissenschaft zu schmälern. Nie hätte ich diese Jahre der Doppelbelastung durchgestanden, wäre ich nicht felsenfest von ihrer Wichtigkeit überzeugt.
Vor einigen Jahren gründeten ein paar Freunde und ich eine Klimaschutz-Arbeitsgruppe mit dem Namen „KlimaWissen – KlimaHandeln“. Im Namen steckt der Gedanke, dass man vom Wissen ins Handeln kommt. Oder: dass das Handeln auf dem Wissen beruht, darin verankert ist, daraus entspringt. In anderen Worten, dass mit dem Erkennen, Wissen und Bewusstwerden von Zusammenhängen in dieser Welt entsprechend das eigene Verhalten angepasst, weiterentwickelt wird und sich in der Art und Weise, wie man lebt, widerspiegelt.
Dem ist leider gar selten so.
Es ist nicht genug zu wissen – man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen – man muss auch tun.
Johann Wolfgang von Goethe
Zweifle nicht – was du tust, zählt
Ob es nun daran liegt, dass „Wissen“ oft rein theoretisch, als blanke, unpersönliche, nicht mit dem eigenen Leben zusammenhängende Information vorliegt und weniger als ganzheitliches Begreifen („Weisheit“ ist ein gar großes Wort) oder daran, dass es so verdammt schwierig ist, die eigenen (vielleicht auch nur theoretischen, sich selbst vorgesagten) Überzeugungen zu leben. Ich weiß es nicht.
Eines aber weiß ich, ich für mich. Es zählt, vor allem, was ein Individuum tut. Das Denken gemäß „Es-ist-egal-ob-ich-fliege-oder-nicht“, das „Alle-fahren-Auto“, „Es-macht-keinen-Unterschied“ Leitsprüchen ist nicht nur schlichtweg falsch (denn, mitunter, genau weil alle diese Einstellung haben, ist die Welt so geworden, wie sie geworden ist… man stelle sich vor, alle Menschen, die genug Geld für jährliche Urlaubsflüge haben, entschließen sich dazu, nicht mehr in den Urlaub zu fliegen – man stelle sich das einmal wirklich vor).
Es zählt, weil wir als Einzelpersonen auch politische Mitgestalterinnen sind. Weil unser Verhalten – und die damit verbundenen Bedürfnisse, Prioritäten und Forderungen – den Boden der Demokratie ausmachen und politische Entscheidungsträger dazu veranlassen, sich entweder so oder so zu entscheiden.
Doch vor allem, vor allem zählt es, weil wer wirklich nach seinen Überzeugungen lebt, nachts besser schlafen kann, morgens lieber in den Spiegel schaut und in Gesprächen authentisch sein kann, sich selbst und anderen nichts vormachen muss. Letzthin erzählte bei einer Podiumsdiskussion ein Gast (etwa 60 Jahre alt, ein ruhiger, unaufgeregter Mann) von seiner ersten Erfahrung bei einem Klimaprotest, von seinen zahlreichen Überlegungen und seiner Unsicherheit im Vorfeld über die möglichen rechtlichen Konsequenzen seiner Handlung. Schließlich aber kam er zum Schluss, dass er politisch protestieren möchte, und fasste den Mut. Seine Worte nach dieser Erfahrung dazu lauteten etwa: „Nach dem eigenen Gewissen zu handeln ist das beste Anti-Depressivum und senkt den Blutdruck.“