Ein erster Schritt
Ein erster Schritt
Herbst 2019. Lehrerinnenausflug nach Colmar. Greta Thunberg ist seit 2018 als Umweltaktivistin bekannt.
Ich sitze mit einigen Kolleginnen auf Fensterbänken vor einer Imbisshalle. Wir sind dabei, unser soeben erstandenes Mittagsmenü zu essen, als ein beeindruckendes Cabrio direkt vor uns zum Stehen kommt. Ein tadellos gekleideter Mann, vom Stil her absolut zum teuren Auto passend, steigt aus und wir folgen ihm, natürlich möglichst unauffällig, mit den Augen, bis der von uns Beobachtete in der Menge verschwindet.
Das Cabrio wird nun auch von der Rückseite begutachtet. Ein leiser Aufschrei, eine Aufforderung zum Hinschauen folgen. Neugierig kommen wir näher und sehen den Aufkleber „I hate Greta“. Wütende Worte fallen, sie sollen hier nicht wiederholt werden. Die Entrüstung ist groß. Wie kann man nur?
Selbstverständlich sind wir auf Seiten der Klimaschützer, auf Seiten der Demonstranten, auf Seiten Gretas. Und selbstverständlich sind wir entrüstet, wenn uns jemand auf seine Weise, ob offensichtlich oder subtil mitteilt, dass er „auf der anderen Meinungsseite“ steht. Soweit die Begebenheit.
Inzwischen hat uns nicht nur eine Klimaschutzwelle, initiiert und angeführt von Greta, sondern auch eine Coronawelle überrollt. Sind wir, alle die Entrüsteten, bereit, die Zusammenhänge zu erkennen? Spätestens jetzt könnten wir auf die vielen Mahner hören und begreifen, dass es fünf nach zwölf ist. Es ist relativ einfach, sich Klimaschutzdemonstrationen anzuschließen. Schon etwas mutiger muss man sein, um aus der Menge zu treten und seine Stimme zu erheben. Das liegt nicht jedermann / -frau. Wir alle können aber beitragen zu einer Verbesserung unserer Welt.
Die Demos, und damit auch Greta, wird es weiterhin zusätzlich brauchen, weil Regierungen ohne Druck nicht zu Maßnahmen bereit sind, welche die großen, wirklich entscheidenden Schritte setzen, die eine Klimaveränderung wenigstens verlangsamen und unsere Erde retten könnten.
Inzwischen sind einige Jahre vergangen. Die Proteste zum Thema Klimaveränderung haben neue Formen angenommen. Man kann diskutieren, sowohl über die Art zu protestieren als auch über die Art, auf Proteste zu reagieren. Was wir aber auf keinen Fall sollten, ist wegschauen, denn wir wissen, für unsere Umwelt ist es bereits nach zwölf.
Meine Gedanken gehen nochmal zurück zu obigem „Erlebnis“. Eine Möglichkeit könnte sein, auf einzelne „I hate Greta“-Menschen zuzugehen, die uns im Alltag begegnen, und versuchen, sie aufzuklären und umzustimmen. Courage allein wird nicht reichen, es braucht auch Zeit. Verhaltensveränderungen müssen gedacht, gewollt und trainiert werden. Das bedeutet nicht nur bei Regierungen und Konzernen enorm viel an Umdenken, sondern auch bei den Menschen, die uns umgeben, mit denen wir leben.
Ich hätte da auch eine Idee, zugegeben, mehr eine Fantasie, zu unserem Ausflugserlebnis: Nach der Rückkehr zu seinem Auto erwarten wir den Fahrer mit einer Flasche Sekt. Wohl aufgrund der Überzahl, in der wir sind, lässt er sich auf unsere Einladung ein. Er hört unseren Argumenten aufmerksam zu und verspricht schlussendlich, den Aufkleber zu entfernen, ja, sich weiterhin Gedanken zum Thema Klimaveränderung zu machen und sogar Taten folgen zu lassen. Was für ein frommer Wunsch von mir!

Zur Person:
Susanne Theresia Maier, geb. 1956 in Melk /NÖ, verbrachte Kindheit und Jugend in der Steiermark, lebt seit 1974 in Rankweil, ist Mutter zweier erwachsener Kinder und hat eine bereits erwachsene Enkelin. Sie arbeitete als Lehrerin und Schulleiterin in Rankweil und ist seit 2020 in Pension. Susanne Maier schreibt über Erlebtes sowie Beobachtetes und ihre Gedanken darüber.