Wie grün ist dein Gärtnern? – Düngung
Viel hilft nicht immer viel, es kann auch schaden
Es ist schnell passiert: Die Farbe der Zucchiniblätter ist weit entfernt von Sattgrün, die Erdbeeren bleiben klein, die Rosen sehen „hungrig“ aus. Der Griff zum mineralischen Flüssigdünger ist so einfach, wie der Griff zur Limonade im Supermarktregal. Dabei sind die Böden der meisten Zier- und Nutzgärten überdüngt.
Der entscheidende Unterschied zwischen organischen Langzeit- und mineralischen Kurzzeitdüngern
Düngemittel lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien kategorisieren:
- Herkunft/Entstehung (Handels-, Natur-, Sekundärrohstoff-, Wirtschafts-, Kunstdünger)
- zeitliche Verfügbarkeit (schnell/langsam wirkend)
- chemische Verbindung (organisch/mineralisch)
- Anzahl der Nährelemente (Einzel-/Mehrnährstoffdünger)
- Mengenbedarf der Pflanze (Makro-/Mikronährstoffdünger)
- Applikationsart (Boden-/Pflanzendünger)
- Aggregatzustand (Düngergranulate oder -salze / Düngerlösungen und -suspensionen)
- Pflanzengruppen (z.B. Rasen-/Tomaten-/Rhododendron-/Wasserpflanzendünger)
Die Unterscheidung zwischen organischen und mineralischen Düngern ist besonders wichtig. Organische Dünger enthalten organische Verbindungen, beispielsweise aus Pflanzenteilen oder tierischen Ausscheidungen – sprich Stallmist, Gülle, Gärreste, Stroh, Kompost, Hornspäne. Chemisch gesehen basieren diese Substanzen auf Kohlenstoff und genau dieser hohe Kohlenstoffanteil trägt zum Erhalt des Humusgehaltes in den Böden bei. Im Gegensatz dazu bestehen Mineraldünger aus mineralischen Salzen – also Oxiden, Chloriden, Sulfaten, Carbonaten etc. Diese lösen sich beim Kontakt mit Wasser in eine pflanzenverfügbare Form.
Wie unterscheidet sich nun die Wirksamkeit bzw. die Wirkung im Boden? Organische Dünger müssen zunächst von Mikroorganismen zersetzt werden, bevor die Nährstoffe in pflanzenverfügbarer Form vorliegen. Das bedeutet, die Nährstoffzugabe erfolgt über Wochen und Monate. Mineralische Dünger wirken schneller – aber auch kürzer, denn sie werden leicht vom Regen aus dem Boden ins Grundwasser gespült, wo sie großen ökologischen Schaden anrichten können (Stichwort Eutrophierung), aber auch für die menschliche Gesundheit eine Gefahr darstellen. Stickstoff gelangt vor allem in Form von Nitrat in Flüsse und Grundwasser; Nitrat kann im Körper ins toxische Nitrit umgewandelt werden, welches über die Reaktion mit Eisen in eisenhaltigen Enzymen der Zellatmung sowie des Hämoglobins reagiert und den Sauerstofftransport behindert – ein starker Blutdruckabfall, Kreislaufkollaps oder Schock können die Folge sein.
Schädigung von Klima, Pflanzen und Boden durch Überdüngung
Die Herstellung mineralischer Dünger ist überdies für einen beachtenswerten Teil der Freisetzung von Treibhausgasen verantwortlich. Beispielsweise verursachte die Herstellung und Vermarktung allein von synthetischen Stickstoffdüngern im Jahr 2018 geschätzte Emissionen von 1,13 Gigatonnen CO2 (was 10,6 % der landwirtschaftlichen Emissionen und 2,1 % der globalen Treibhausgasemissionen entspricht).
Eine Überdosierung der Stickstoff- oder Phosphordüngung (die zwei wichtigsten pflanzlichen Makronährstoffe) kann zu weichen Trieben und Blättern, Blattchlorosen (gelbliche Blätter), nach unten gerollten Blatträndern, Wachstumsstörungen und erhöhter Frostempfindlichkeit, einem verstärkten Befall mit Schädlingen (insbesondere Blattläusen und Spinnmilben), einem vermehrten Auftreten von Pilzinfektionen (wie Mehltau) und auch einer verminderten Lagerfähigkeit von Obst und Gemüse führen. Überdüngungen mit Kalium und Kalzium können das Absterben der Blätter, Wurzelverbrennungen und Kümmerwuchs verursachen.
Im Boden senkt überschüssiger Stickstoff den pH-Wert – der Boden wird sauer. Dieses veränderte chemische Milieu beeinflusst infolgedessen die Aufnahme anderer Nährstoffe, zudem werden Bodenorganismen wie Regenwürmer und Pilze verdrängt. Letztere wiederum sind besonders wichtig, da die meisten Pflanzen im Wurzelbereich eine Symbiose mit Pilzen eingehen (Mykorrhiza), die wiederum wichtig für die Nährstoffaufnahme ist. Ganz grundlegend reduziert überschüssiger Stickstoff im Boden das Wurzelwachstum, die Pflanze steckt mehr Energie in die oberirdischen Teile. Dieses Ungleichgewicht rächt sich bei Unwetter und Sturm oder großer Trockenheit, weil dort die verankernden bzw. wasserversorgenden Wurzeln fehlen.
Eine Frage der Dosierung
„Viel hilft viel“ ist deshalb als Leitsatz bei der Düngung nicht angebracht – im Gegenteil, Überdüngung gewisser Nährstoffe kann zu Mangelerscheinungen anderer führen oder die Pflanze zum Absterben bringen. Leider sind gerade im Hobby-Gartenbereich Überdüngungen häufig, da man es zum einen gut meint, zum anderen auf kleineren Flächen die richtige Dosierung schwieriger ist, insbesondere wenn Düngemittel in konzentrierter Form vorliegen und erst noch verdünnt werden müssen oder auch schlicht durch deren manuelle Ausbringung leicht zu einer ungleichmäßigen Verteilung führt. Zudem spielt der Kostenfaktor eine geringere Rolle als bei Landwirten, die aufgrund ihrer größeren Flächen ein Interesse daran haben, nur so viel Dünger zukaufen zu müssen, wie notwendig bzw. auch wirklich wirtschaftlich sinnvoll ist.
Ursachen der Überdüngung oder „der lange Weg vom Dung zum chemischen Volldünger“
Zuletzt ein kurzer geschichtlicher Rückblick. Seit Erfindung des Ackerbaus sind Bauern und Gärtner bemüht, einem Nährstoffmangel entgegenzuwirken. Bis ins 19. Jahrhundert geschah dies überwiegend mithilfe von organischen Düngemitteln, das heißt Knochenmehl, Stallmist und Pferdedung. Neben der rein quantitativen Nährstoffzufuhr förderte dies die Bodenfruchtbarkeit nachhaltig durch die Belebung des Bodenlebens und Verbesserung der Bodenstruktur. Als mit dem Beginn der Industrialisierung der Chemiker Justus von Liebig den Mineraldünger entdeckte und populär machte, rückten naturnahe Methoden, wie Fruchtwechsel und die Verwendung organischer Dünger, zunehmend in den Hintergrund. Was zählte, war nur noch die Menge an anorganischen Nährstoffen, die zugeführt wurden.
Heute gelangen jährlich Hunderte Tonnen industriellen Düngers in die Umwelt, wovon ein Großteil ungenutzt in tiefere Bodenschichten gelangt, ins Grund- und Trinkwasser, in Biotope und mittels Ausgasung in die Luft. Die Folgen sind uns allen bekannt – saurer Regen, ‚Rückgang der Artenvielfalt, Umkippen der Gewässer und Klimaerwärmung. Die Verwendung von rein chemischen Düngepräparaten (wie Blaukorn & Co) gerät zwar zunehmend in die Kritik, im privaten wie gewerblichen Anbau findet sie dennoch statt.
Bilder:
Beitragstitelbild „Blaukorn“ von hausgarten.net
Beitragsbild von growmart.de
Quellen:
Hausgarten-Artikel (2023): „Überdüngung des Bodens – Anzeichen und Folgen für Pflanzen“, https://www.hausgarten.net/ueberduengung-vermeiden/ (abgerufen am 31.05.2024)
Menegat, S., Ledo, A. & Tirado, R. (2022) Greenhouse gas emissions from global production and use of nitrogen synthetic fertilisers in agriculture. Sci Rep 12, 14490, https://doi.org/10.1038/s41598-022-18773-w
Umwelt-Bundesamt (o. J.): „Welche Folgen hat ein Übermaß an reaktivem Stickstoff im Boden für die weitere Umwelt?“, https://www.umweltbundesamt.de/umweltatlas/reaktiver-stickstoff/wirkungen/boden/welche-folgen-hat-ein-uebermass-an-reaktivem (abgerufen am 01.06.2024)