Saisonal – jenseits des Marketings
Saisonalität – jenseits des Marketings
Was Saisonalität in der Landwirtschaft wirklich bedeutet
Erdbeeren aus der Region im Winter, regionale Tomaten im Frühling – lange ist es zur Selbstverständlichkeit geworden, beinahe jedwedes Lebensmittel zu jedweder Zeit erhalten zu können. Nicht nur aus Übersee, sondern immer mehr auch „regional“. Da in den meisten (mittel)europäischen Ländern nur mehr ein vernachlässigbarer Anteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeitet (in Österreich waren es 2023 drei Prozent), ist es nicht verwunderlich, dass das Bewusstsein um die Produktion landwirtschaftlicher Güter verloren gegangen ist.
Dazu kommt ein geschicktes Marketing – in das Millionen gesteckt werden –, welches alle Tricks kennt, um uns dabei behilflich zu sein, von uns selbst zu denken, dass wir ein (relativ) grünes Produkt kaufen.
Was aber ist Saisonalität wirklich?
Saisonalität leitet sich vom Begriff der Saison ab. Im landwirtschaftlichen Kontext gemeint sind die naturgegebenen, jahreszeitlichen Bedingungen, allen voran der Temperatur, dem Niederschlag und der Tageslänge. Pflanzen als „sessile“, das heißt nicht mobile Lebewesen hängen stark von den klimatischen Bedingungen ab. Passen diese nicht, können sie nicht gedeihen.
Die Umweltschutzorganisation „GLOBAL 2000“ schreibt: „Wenn Obst und Gemüse aufgrund dieser vorherrschenden Standortbedingungen angebaut und geerntet werden kann, bezeichnet man es allgemein als saisonal. Saisonalität ist aufgrund der klimatischen Standortbedingungen vorgegeben. Diese können sehr verschieden sein: so ist etwa in höheren Lagen („am Berg“) die Saison zum Anbau von Kulturpflanzen kürzer als im Tal. Auch die Region spielt eine Rolle: in südlicheren Gegenden ist es über einen längeren Zeitraum warm und sonnig. Deshalb können zum Beispiel Tomaten auf Sizilien angebaut werden, während es in Österreich dafür noch zu kalt ist. Da die Saisonalität mancher Obst- und Gemüsesorten verhältnismäßig kurz ist, wird versucht, den Anbau- und Erntezeitraum auszuweiten – zum Beispiel durch Glashäuser. Hier wird die durch das Glasdach einfallende Sonnenstrahlung zur Erzeugung von Wärme genutzt. Der Anbau lässt sich aber durch zusätzliches Beheizen des Glashauses noch weiter verlängern, wenn Sonnenlicht alleine nicht ausreicht. Bis zu welchem Punkt kann ein landwirtschaftlich erzeugtes Produkt dann aber noch als saisonal betrachtet werden?“
Aus Sicht der Umweltschutzorganisation lässt sich Saisonalität also aus den klimatischen Bedingungen eines Produktionsstandorts ableiten. Regionale Produkte gelten dann als saisonal, wenn sie im Freiland wachsen. Produkte, die aus dem geschützten Anbau (Folientunnel, Glashaus) stammen, gelten im selben Zeitraum als saisonal, wenn während dieser Zeit keine Beheizung oder Beleuchtung stattfindet.
CO2 Emissionen je nach Produktionsart
Zum Vergleich: 350 g Paprika, die saisonal und regional hergestellt werden, haben einen ungefähren Emissionsverbrauch von ungefähr 200 g CO2-eq, werden sie zwar regional (< 50 km) angebaut, aber beheizt, sind es schon zirka 350 CO2-eq (stark variabel je nach Intensität der Beheizung) und bei einem größeren Transportweg sind wir schnell bei 500 g CO2-eq. Eine Tabelle bzw. Grafik dazu finden sich in den Beiträgen CO2 Mengen in anschaulichen Zahlen und Trophieebene – Was ist das?
Kundentäuschung
Marketing-Formulierungen wie „ganzjährig saisonal“ oder „zu jeder Jahreszeit“, meist in Verbindung mit Begriffen wie „natürlich“, „gutes Gewissen“, etc., täuschen die Konsument*innen.
Dieser Beitrag stellt nicht die Sinnhaftigkeit von beispielsweise unbeheizten Glashäusern in Frage, die ohne Energieverbrauch ein besseres Mikroklima schaffen, in dem sie physikalisch bewirken, dass das natürliche Sonnenlicht eingefangen und dessen Wärme besser gehalten wird. Er ist schlicht als Beitrag zu größerem Bewusstsein für Saisonalität bei Gemüse und Obst zu verstehen – als Anreiz, mit dem Wissen um die Bedeutung der unterschiedlichen Produktionsweisen ins Handeln zu kommen, und sich eventuell hie und da gegen den dargebotenen Kauf von nicht-saisonalem Obst und Gemüse zu entscheiden – für den Kauf von saisonalen Waren. Als Entscheidungshilfe kann auch der kostenlose Saisonkalender von Global 2000 herangezogen werden.
Quellen:
Statista Research Department (2024): Verteilung der Erwerbstätigen in Österreich nach Wirtschaftssektoren von 2012 bis 2023, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/217608/umfrage/erwerbstaetige-nach-wirtschaftssektoren-in-oesterreich/, abgerufen am 22.02.2025
GLOBAL 2000 Online Ratgeber-Beitrag (oJ): „Saisonal einkaufen: Darauf sollten Sie achten“, https://www.global2000.at/saisonal-einkaufen, abgerufen am 22.02.2025
Ein guter Tag hat 100 Punkte: https://eingutertag.org, abgerufen im März 2023
Beitragsbild: Tomaten auf Steinwolle, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, Urheber: Goldlocki, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tomato_P5260299b.jpg