Ökosystemdienstleistungen
Klimaregulierung, Wasserqualität, Nahrung, Energie und Boden
Für viele Nicht-Biologen ist nach wie vor unverständlich, was Ökosystemdienstleistungen sind und weshalb diese nicht technisch ersetzt werden können. Ein Erklärungsversuch
Ein Ökosystem ist ein dynamischer Komplex von Pflanzen-, Tier- und Mikroorganismengemeinschaften und ihrer unbelebten Umwelt, die als funktionelle Einheit zusammenwirken (Art. 2 der UN Biodiversitätskonvention). In anderen Worten: Ein Ökosystem ist ein Verbund der Flora, Fauna und den Mikroorganismen, der Luft, Wasser und Boden beeinflusst, mitprägt und bedingt. So schaffen die Wurzeln der Bäume in Wäldern mit ihren Pilzpartnern ein Geflecht, das den Boden stabilisiert, Wasser und Nährstoffe speichert und filtert. Die Baumwipfel werfen Schatten und kühlen das System; diese Kühlung wird durch den Transpirationssog der Pflanzen verstärkt, da diese zur Aufnahme von CO2 die Spaltöffnungen ihrer Blätter öffnen müssen und so Wasser verdunstet. Das wiederum schafft einen lokalen Niederschlagskreislauf. Und so weiter.
Ökosystemdienstleistungen
Die „Dienstleistungen“ der Natur – der Service, den die Ökosysteme bereitstellen – werden in vier Kategorien unterteilt:
- regulierende Ökosystemdienstleistungen (z.B. Klimaregulation, Wasserqualität)
- bereitstellen Ökosystemdienstleistungen (z.B. Energie, Nahrungs- und Futtermittel)
- unterstützende Ökosystemdienstleistungen (z.B. Photosynthese, Bodenaufbau, Nährstoffkreislauf)
- kulturelle Ökosystemdienstleistungen (z.B. Bildung, Erholungsraum, Inspiration)
Bild: United States Environmental Protection Agency (EPA)
Regulierend: Wälder, Korallenriffen und Moore gehören zu den wichtigsten CO2-Speichern. Auch „gewöhnliche“ Böden können Kohlenstoff binden, wenn sie gesund – also nicht verdichtet, offen (vegetationslos) oder mit Pestiziden angereichert sind. Die Filterfunktion beschränkt sich nicht auf Wasser und die Wasserqualität – auch Luft wird von Pflanzen gefiltert und ihre Qualität verbessert.
Bereitstellend: Nahrungsmittel werden vom Boden (Landwirtschaft) oder den Ozeanen (Fischerei) bereitgestellt. Erneuerbare und fossile Energie stammt von Biomasse (Holz sowie das vor Jahrmillionen aus toten Pflanzen und Tieren entstandene Erdöl und Erdgas). Daneben ernten wir Fasern und andere Rohmaterialien für die Industrie und Arzneimittel für die Medizin. Neben der Wasserqualität beeinflusst der Boden auch die Wasserversorgung durch Abfluss- und Speichermöglichkeiten.
Unterstützend: Der Bodenaufbau und die Humusbildung wird maßgeblich vom Bodenleben geprägt – am bekanntesten ist die bedeutende Rolle der Regenwürmer für die Bodenstruktur, welche sich wiederum auf den Nährstoffkreislauf auswirkt. Weiters helfen Pflanzen durch die Photosynthese bei der Regulierung der Treibhausgase.
Kulturell: Erholung für Körper und Geist, Stressreduktion und Entspannung finden maßgeblich in natürlichen (z.B. Waldbaden) oder in Städte eingebettete (z.B. Parks) Ökosystemen statt. Studien zeigen, dass das Gefühl von Verbundenheit durch ansprechende Ökosysteme sich nicht nur für den einzelnen Menschen positiv auswirken, sondern auch den sozialen Zusammenhalt fördern (Heimatgefühl). Die Bionik – das Umsetzen von Anregungen aus der Biologie in die Technik – zeigt ebenfalls, wie sogar die Technik von der Natur profitiert.
Kein künstlicher Ersatz
Selbstverständlich gab es stets das Bestreben, natürliche Prozesse durch technische zu unterstützen, verstärken oder verändern. Dabei zeigt wohl die Landwirtschaft am eindrücklichsten, wie der Mensch seit Jahrtausenden die Natur mit- oder umgestaltet. Die Grüne Revolution ging lange Zeit in die Richtung der zunehmenden Zuhilfenahme von Technik bzw. synthetisch hergestellten Dünge- und Pestizidmitteln. Maschinen wurden größer, Böden wurden dichter; Monokulturfelder wurden größer, die Artenvielfalt geringer. Dies führte in den letzten Jahrzehnten zu massiven landwirtschaftlichen Problemen – für Mensch und Natur. Die Produktivität sank und konnte nur durch noch höheren künstlicheren Einsatz von Dünge- und Pestizidmitteln bzw. genetisch veränderten Pflanzen aufrechterhalten werden.
Die Klimaerwärmung mit ihren politischen Bestrebungen in Richtung nachhaltige Nahrungsmittelerzeugung, Bodenerosion und mit Schadstoffen angereicherte, degradierte Böden, Energiepreise, großflächige Ernteausfälle durch Krankheiten, Schädlinge und geringe Resilienz, usw. haben zu einem Umdenken geführt hin in Richtung „mit der Natur“ anstatt gegen sie Lebensmittel zu erzeugen.
Stichwort Hydroponik (Pflanzenbau in wassergefüllten Behältern): Viele Pflanzen benötigen den physikalischen Boden für ihr Wachstum und können nicht in Wasser oder künstlichem Substrat gedeihen. Die Probleme von künstlichen Fischbecken mit hohem Einsatz von Antibiotika sind ebenso bekannt die hohen Antibiotika-Gaben in Massentierhaltungsanlagen von Rind, Schwein und Huhn.
Ökosystemdienstleistung durch Artenvielfalt
Zuletzt sei nochmals betont, dass Ökosysteme – und damit auch die Dienstleistungen, die wir von ihnen in Anspruch nehmen können – maßgeblich von ihrer (funktionellen) Artenvielfalt abhängen. Wie erwähnt, gibt es Schlüsselarten, die besonders wichtig sind, doch als Faustregel gilt: Eine höhere Artenvielfalt bedeutet ein stabileres, resilienteres (widerstandsfähigeres) Ökosystem.
Quellen:
OroVerde – die Tropenwaldstiftung (2021): Faszination Vielfalt. Unterrichtseinheit 2: Biodiversität. Ökosysteme. Abgerufen am 20.09.2023
Übereinkommen über die biologische Vielfalt (1992). Article 2. Use of Terms. Siehe auch hier. Abgerufen am 20.09.2023
Gamfeldt, L., Snäll, T., Bagchi, R. et al. (2013): Higher levels of multiple ecosystem services are found in forests with more tree species. Nature Communications 4:1340. https://doi.org/10.1038/ncomms2328
Paul A. Sandifer, Ariana E. Sutton-Grier, Bethney P. Ward (2015): Exploring connections among nature, biodiversity, ecosystem services, and human health and well-being: Opportunities to enhance health and biodiversity conservation. Ecosystem Services 12: 1-15. https://doi.org/10.1016/j.ecoser.2014.12.007