Genug von Ausreden
Ja, ich bin ein Nichts – aber was ich tue, macht etwas
Keine Frage: Ich bin nichts. Ich bin ein Niemand. Der Flieger fliegt auch ohne mich. Die Kohlekraftwerke emittieren auch ohne mich.
8.052.374.054 zeigt die Weltbevölkerungsuhr in diesem Moment. In Worten sind das acht Milliarden zweiundfünfzig Millionen dreihundertvierundsiebzig Tausend und vierundfünfzig Menschen. Acht Milliarden Menschen, die alle etwa die eineinhalbfache Menge Essen in Kilogramm täglich zu sich nehmen muss. Die irgendwo schlafen, sich fortbewegen, arbeiten und – in unseren Breiten – Sport treiben, Filme anschauen und in den Urlaub reisen möchte, (mindestens) ein Handy, ein Notebook und ein Auto besitzen will.
Ich kann’s auch meinen Freunden nicht krummnehmen, wenn sie im ersten Moment sagen: Was kann ich schon tun? Denn wir waren alle schon da. Wir haben die Bilder des zerstörerischen Ausmaßes des menschlichen Wirkens auf dieser Erde in Dokumentarfilmen gesehen und die aufrüttelnden Klimaberichte gelesen. Es ist vielleicht ein paar Jahre her und die Erinnerung an jenen einen Moment des erstmaligen Erkennens der Dringlichkeit des planetaren Zustandes schon übertüncht von allen weiteren Bildern und Worten, die danach folgten. Aber es gab diesen Augenblick, diese kurze Zeitspanne, bevor Hoffnungslosigkeit oder Irrationalität scheinbar jedes weitere rationale Nachdenken im Keim erstickten.
Das aber, das nehme ich jedem krumm. Insbesondere da es genug Gelegenheiten seit diesem ersten Begreifen mit folgender Ignoranz oder Verdrängung gegeben hätte. Mag sein, dieser eine Flieger, den ich nun schon gebucht habe, der fliegt jetzt auch, ob ich einsteige oder nicht. Mag sein, dass ich die Anzahl der Kohlekraftwerke in China nicht direkt beeinflussen kann. Stimmt alles. Aber sehr weit gedacht ist das halt wirklich nicht. Ich würde sagen, es ist nicht einmal bis um die nächste Ecke gedacht.
Wenn keiner einen Flug bucht, fliegt kein Flugzeug. Wenn der Stromverbrauch der Bevölkerung sinkt, braucht es weniger Kraftwerke. Und der Energieverbrauch sinkt im Allgemeinen übrigens vor allem wenn die Industrie – gesteuert indirekt durch unser Konsumverhalten – sinkt. Es macht also einen Unterschied, ob ich mit dem Zug, Auto oder Flugzeug in den Urlaub fahre, ob ich einen Laptop zwei oder zehn Jahre benutze, ob ich meinen Kleiderschrank ständig mit neuen Klamotten fülle oder auf Langlebigkeit setze.
Die Ausrede, als Individuum nichts bewirken zu können, hält einfach nicht. Sie ist irrational, wie etwas nur sein kann. Leider neigen wir Menschen dazu, besser auf sofortige Ergebnisse einer Handlung zu reagieren, um diese mit einer Verhaltensänderung verknüpfen zu können. Vielleicht ist diese verständliche Tendenz noch durch eine zunehmende Individualisierung und letzten Endes ein Gefühl der Vereinzelung und Isolierung. Dabei ist’s nicht schwer: Stell dir einfach mal vor, alle würden so leben wie du. Wäre die Welt besser, schlechter oder gleich?
Die Sicherung unserer Lebensgrundlagen ist eine kollektive Aufgabe. Sie kann nicht funktionieren, wenn sich Individuen so verhalten, als ob diese Sicherung der Lebensgrundlagen nicht in ihren Aufgabenbereich fällt. Fällt er nämlich. Ja, ich bin ein Nichts – aber was ich tue, macht etwas.