Agroforst – Teil II
Landwirtschaft und Klimaschutz
Durch die menschliche Kultur, immer mehr in Städten zu leben und als Gesamtbevölkerung wenig bis gar nichts mit Landwirtschaft zu tun zu haben, wird oft vergessen, welchen weltverändernden Einfluss unsere Nahrungserzeugung auf den Planeten und alle anderen Lebewesen hat.
Laut Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC) stammen rund 13% der Kohlendioxid- (CO2), 44% der Methan- (CH4) und 81% der Lachgasemissionen (N2O) aus land- und forstwirtschaftlichen Aktivitäten sowie anderen Landnutzungsänderungen. Da Methan und Lachgas „klimawirksamere“ Gase sind als Kohlendioxid, entspricht das rund einem Viertel der gesamten anthropogenen Nettotreibhausgasemissionen.
Direkte CO2-Bindung durch Bäume und Hecken
Agroforstsysteme – landwirtschaftlich genutzte Flächen in Kombination mit Bäumen und/oder Hecken – können eine erhebliche Kohlenstoff-Senke darstellen. Der Aufbau der Holzbiomasse als direkte Bindung von Kohlendioxid ist am augenscheinlichsten. Die genaue Menge des gebundenen Kohlenstoffs im Holz ist von verschiedenen Faktoren abhängig (Gehölzart, -alter, -größe, Umtriebszeit, Verwertungsoptionen, etc.). In Studien, die die Menge zu quantifizieren suchen, wird meist konservativ geschätzt und liegt im Bereich zwischen 5,2 und 21,6 t CO2-Äq ha-1 Gehölzfläche a-1, also zwischen 5 und 21 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr [Anm.: CO₂-Äquivalente sind eine Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase. Die Treibhauswirkung von anderen Gasen wird dabei mit der Wirkung von Kohlendioxid vergleichen. 100 g CO2-Äq eines Treibhausgases sind genauso klimaschädlich wie 100 g CO2. Das CO2-Äquivalent für Methan beträgt 28 für 100 Jahre: Das bedeutet, dass ein Gramm Methan in 100 Jahren 28-mal so stark zum Treibhauseffekt beiträgt wie ein Gramm Kohlendioxid].
Der von den Bäumen und Sträuchern über den Prozess der Photosynthese assimilierte (aufgenommene) Kohlenstoff wird nicht nur in der pflanzlichen Biomasse, also vor allem im Holz, gespeichert. Durch den herbstlichen Laubeinfall gelangt der gebundene Kohlenstoff in den Boden, wo er als organischer Bodenkohlenstoff nicht nur die Bodenfruchtbarkeit steigert, sondern langfristig schließlich im Dauerhumus des Bodens gebunden bleibt – sofern er nicht durch grobe mechanische Bearbeitung wieder an die Oberfläche gebracht und Zersetzungsprozessen ausgesetzt wird. Ein höherer Anteil von organischem Bodenkohlenstoff und einer höheren Nährstoffverfügbarkeit in der Nähe der Baumreihen in Agroforstsystemen wurde nachgewiesen.
Indirekte CO2-Bindung im Agroforstsystem
Neben einem hohen Klimaschutzbeitrag durch das CO2-Bindungspotenzial der Gehölze, wirkt eine großflächige Ausweitung von Agroforstflächen der Bodenerosion entgegen. In anderen Worten: Anstatt dass Boden, der ja auch Kohlenstoff enthält, abgetragen wird, kann er bestehen oder aufgebaut werden. Pflanzen – und so auch Bäume – scheiden über Wurzelexsudate organische Stoffe in den Wurzelraum aus. Diese haben einen Einfluss auf die Bodenmikroorganismen und damit Bodenprozesse. In der Baumreihe können sie helfen, den labilen Bodenkohlenstoff zu stabilisieren [Anm.: Im Ackerland, das regelmäßig umgepflügt wird, ist dies nicht oder nur eingeschränkt möglich].
Durch den höheren Anteil organischem Bodenkohlenstoffs und die höhere Nährstoffverfügbarkeit wird die Bodenfruchtbarkeit verbessert und der Bedarf an extern zugeführten Düngemitteln verringert. Dies trägt indirekt dazu bei, den CO2 Ausstoß durch die Herstellung von Düngemitteln zu reduzieren.
Nutzungsmöglichkeiten von Holz und Biomasse
Die Nutzung von Agroforstgehölzen als „Material“ kann auf zwei Wegen zur Reduzierung von CO2 Emissionen beitragen: Wird (nachwachsendes) Holz als Energieträger genutzt, werden fossile Energieträger, die zu einem CO2 Ausstoß geführt hätten, substituiert. Damit wird zwar kein Kohlenstoff gebunden, es wird aber verhindert, dass mehr Kohlendioxid freigesetzt wird. Beispielsweise betrug der errechnete Substitutionseffekt bei einer Stromerzeugung aus Holzbiomasse anstelle von fossilen Energieträgern mit 70% Steinkohle und 30% Erdgas 7,9 t CO2-Äq ha-1 Gehölzfläche a-1.
Wird (nachwachsendes) Holz als Bau- und Werkstoff anstelle von Materialien verwendet, die mit einem höheren Aufwand an Energie produziert werden – man denke an Beton und Stahl, die fürchterliche CO2 Bilanzen aufweisen –, wird ebenfalls verhindert, dass mehr Kohlendioxid freigesetzt wird. In Baumaterialen ist auch eine mittelfristige Bindung (von 100 Jahren) gegeben. Das Ersetzen fossiler Energieträger und Baumaterialien, die mittels fossiler Energieträger unter großen Energieaufwand hergestellt werden müssen, stellt eine neben der direkten Bindung aus der Atmosphäre zusätzliche Reduktion der Nettotreibhausgasemissionen dar.
Wie viel CO2 in Agroforstsystemen gebunden werden kann, hängt von vielen Faktoren ab – Klima, Bodenbeschaffenheit, Ausgangssystem, Art der Bewirtschaftung, etc. Es wäre unseriös, eine Zahl zu nennen. Der Bereich der Größenordnung wurde in einer europäischen Studie ermittelt: 0,09 bis 7,29 t C ha-1 pro Jahr. Durch die Umsetzung der Agroforstwirtschaft in jenen 10% der europäischen Landfläche, die besonders unter ökologischen Defiziten (wie Bodenerosion und Wasserverschmutzung) steht und auf denen der Agroforst besonders wirksam sein könnte, könnten jährlich 2 bis 64 Millionen Tonnen Kohlenstoff gebunden werden. Dies entspricht zwischen 1,4 und 43,4 % der Treibhausgasemissionen der europäischen Landwirtschaft. Die Spannweite ist aus den oben beschrieben Gründen groß. Das Potenzial ist vorhanden und wissenschaftlich hinterlegt.
Quellen:
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