Planetare Grenzen
Die zwei nicht verhandelbaren Belastbarkeitsgrenzen
Planetare Grenzen sind die ökologischen Grenzen der Erde, deren Überschreitung die Stabilität des Gesamt-Ökosystems der Erde und damit die Menschheit gefährdet. Auch als planetarische Grenzen bzw. Belastungsgrenzen der Erde bezeichnet, beschreiben sie jene Grenzen, nach deren Überschreitung die selbst-regulatorischen Kräfte der Erde nicht mehr wirken bzw. ausreichen. Die Konsequenzen davon lassen sich nur erahnen, auf jeden Fall käme es zu sehr großer planetarer Instabilität, zu Verschiebungen von Klimazonen, dem Wandel ganzer Lebensräume, (weiterem) Artensterben, etc.
Das Konzept der planetaren Grenzen stammt ursprünglich von einer 28-köpfigen Gruppe von Erdsystem- und Umweltwissenschaftlern. Es wurde erstmals unter der Leitung des schwedischen Resilienzforschers Johan Rockström 2009 veröffentlicht. Die Autoren schreiben in der Zusammenfassung ihrer Forschungsarbeit: „Die vom Menschen verursachte Belastung des Erdsystems hat ein Ausmaß erreicht, bei dem abrupte globale Umweltveränderungen nicht mehr ausgeschlossen werden können. Wir schlagen einen neuen Ansatz für die globale Nachhaltigkeit vor, bei dem wir planetarische Grenzen definieren, innerhalb derer wir erwarten, dass die Menschheit sicher agieren kann. Das Überschreiten einer oder mehrerer planetarer Grenzen kann schädlich oder sogar katastrophal sein, da die Gefahr besteht, dass Schwellenwerte überschritten werden, die nichtlineare, abrupte Umweltveränderungen in Systemen auf kontinentaler bis planetarer Ebene auslösen.“
Im Folgenden wird das Konzept der planetaren Grenzen erklärt. Der Dokumentarfilm „Breaking Boundaries“ von David Attenborough behandelt diese ebenfalls und sei hier als visuelle Ergänzung empfohlen.
Neun planetarische Grenzen
Rockström und sein Team identifizierten 2009 neun planetarische Grenzen und schlugen auf der Grundlage des derzeitigen wissenschaftlichen Verständnisses Quantifizierungen für sieben von ihnen vor. Diese sieben sind: Klimawandel (gemessen an der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und/oder einer maximalen Änderung des Strahlungsantriebs), Versauerung der Ozeane, stratosphärisches Ozon, biogeochemischer Stickstoff (N)- und Phosphor (P)-Zyklus, globale Süßwassernutzung, Veränderung des Landsystems und die Geschwindigkeit, mit der die biologische Vielfalt verloren geht. Die beiden planetarischen Grenzen, für die bisher kein Grenzwert bestimmt werden konnte, sind die chemische Verschmutzung und die atmosphärische Aerosolbelastung. Die Wissenschaftler nehmen an, dass die Menschheit bereits drei planetarische Grenzen überschritten hat: die des Klimawandels, die des Verlusts der biologischen Vielfalt und die des globalen Stickstoffkreislaufs.
Wechselwirkungen und ein „sicheres Spielfeld“
Das Konzept der planetaren Belastbarkeitsgrenzen verdeutlicht, dass der Klimawandel sich in eine ganze Reihe riskanter, durch Wechselwirkungen miteinander verbundener Veränderungen im Erdsystem einfügt und nicht die einzige gravierende globale Umweltveränderung darstellt. Gemeinsam mit dem Rückgang der biologischen Vielfalt kommt dem Klimawandel jedoch eine hervorgehobene Bedeutung zu.
Planetarische Grenzen sind voneinander abhängig, da die Überschreitung einer Grenze die Position anderer Grenzen verschieben oder deren Überschreitung verursachen kann. Beispiele: Die Abholzung Der Amazonas-Wälder kann unter veränderten Klimabedingungen die Verfügbarkeit von Wasserressourcen in Asien verringern, was die Empfindlichkeit der Wassergrenze gegenüber Veränderungen der Landnutzungsgrenzen und des Klimawandels verdeutlicht. Tropische Wälder recyceln einen erheblichen Teil des Wassers in der Atmosphäre und produzieren Aerosolpartikel, die Wolkentröpfchen bilden können – also die Niederschlagsmuster beeinflussen. Eine veränderte Partikelkonzentration beeinflusst die Wahrscheinlichkeit, dass die Wolken Regen produzieren. Niederschlagsveränderungen können eine Rückkopplungsschleife verursachen, bei der ein Kipppunkt erreicht werden kann, der den Amazonaswald bis zum Ende des 21. Jahrhunderts durch eine savannenartige Vegetation ersetzen könnte.
Die sozialen Auswirkungen der Überschreitung von Grenzen hängen zudem von der sozial-ökologischen Widerstandsfähigkeit der betroffenen Gesellschaften ab. Als Stichwort sei hier nur erwähnt, welche humanitären Ungerechtigkeiten weiter verschärft würden.
Die vier Unverhandelbaren
Auf dem Modell der planetaren Belastbarkeitsgrenzen aufbauend, erweiterten Wissenschaftler das Modell 2016. Das erweiterte Modell ist nach dem Prinzip einer Hochzeitstorte aufgebaut anstelle des sektoriellen Ansatzes. Damit wird besser verdeutlicht, dass Wirtschaftssysteme und Gesellschaften in die Biosphäre eingebettet und daher vom Erhalt der Biosphäre abhängig sind.
Basis dieser Darstellung sind die vier nicht verhandelbaren planetaren Grenzen: Trinkwasser, Klima, Biodiversität und Meere. Sie sind mit weiteren Nachhaltigkeitszielen verbunden und ergeben gemeinsam mit diesen die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs).
Die essentiellen Zwei
2015 veröffentlichten weitere Resilienzforscher das Ergebnis einer Analyse der zahlreichen Wechselwirkungen zwischen den planetaren Grenzen: zwei planetare Belastbarkeitsgrenzen – der Klimawandel und die Integrität der Biosphäre – sind hochgradig integrierte Phänomene, die mit allen anderen Grenzen verbunden sind und sich auf der Ebene des gesamten Erdsystems auswirken.
Seit fast vier Milliarden Jahren haben sich die Biosphäre und das Klima gemeinsam entwickelt. Übergänge zwischen Zeitperioden in der Erdgeschichte wurden oft durch erhebliche Verschiebungen im Klima, in der Biosphäre oder in beiden gekennzeichnet. Die Forscher schlussfolgern: „Diese Beobachtungen legen eine zweistufige Hierarchie von Grenzen nahe, in der der Klimawandel und die Integrität der Biosphäre als zentrale planetarische Grenzen anerkannt werden sollten, über die die anderen Grenzen wirken.“
Quellen:
Steffen, Rockström et al. (2009): Planetary boundaries: Exploring the safe operating space for humanity. In: Ecology and Society. Band 14, Nr. 2; ecologyandsociety.org
Will Steffen et al. (2015): Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet. In: Science. Band 347, Nr. 6223; doi:10.1126/science.1259855
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2021): Planetare Belastbarkeitsgrenzen. https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit-digitalisierung/nachhaltigkeit/integriertes-umweltprogramm-2030/planetare-belastbarkeitsgrenzen
Wikipedia-Eintrag: Planetare Grenzen (abgerufen am 15.07.2023); https://de.wikipedia.org/wiki/Planetare_Grenzen
Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/15/Planetare_Belastungsgrenzen_2022.png