Agroforst – Teil I
Landwirtschaft mit Bäumen
Agroforst ist vieles: eine (beweidete) Streuobstwiese, Alley Cropping, Waldweide oder Kurzumtriebsplantage. Der Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft definiert Agroforstwirtschaft als „Kombination von Gehölzen, Acker und/oder Tieren auf einer Fläche.“
Der Begriff „Gehölze“ rührt daher, dass neben landwirtschaftlichen Systemen mit Bäumen auch jene mit Hecken zu den Agroforstsysteme zählen. Agroforstsysteme (AFS) vereinen den Anbau von Kulturpflanzen und/oder die Tierhaltung mit der Produktion von Früchten (Obst, Nuss, etc.), Holz und anderen Baumprodukten oder Hecken auf demselben Stück Land. Agroforst stellt also eine Mischkultur dar, bei der auf derselben Fläche zur selben Zeit (oder manchmal etwas zeitlich versetzt) annuelle oder auch mehrjährige Pflanzen (Getreide, Gemüse oder Gräser) mit mehrjährigen, verholzten Pflanzen kombiniert werden.
Bild: IG Agroforst Schweiz
Bäume und Hecken mit Ackerbau und Tierhaltung
Grob können Agroforstsysteme in silvoarable und silvopastorale Agroforstsysteme unterteilt werden. Silvoarable AFS sind Kombinationen von (meist einjährigen) Ackerkulturen und mehrjährigen Bäumen oder Sträuchern. In silvopastorale AFS werden Futterpflanzen (Leguminosen oder Gräser) als Wiese angebaut oder als Weide von Nutztieren geweidet. Die Kombination dieser beiden Systeme – also Ackerkultur, Tierhaltung und Gehölze – wird als agrosilvopastoraler Agroforst bezeichnet.
Am bekanntesten sind in Mitteleuropa wohl die traditionellen Hochstamm-Obstgärten, deren hochstämmige Obstbäume verstreut auf Grün- bzw. Weideland stehen. Im fließenden Übergang zur Waldweide sind halboffene Weidelandschaften mit einzelnen Gehölzen oder kleinen Gruppen von Gehölzen auf der Weidefläche zu nennen. Je nach Gehölz- bzw. Tierart können Bäume und Hecken auch direkt durch Ziegen, Rinder oder Schafe beweidet oder mit der Haltung von Geflügel kombiniert werden. In diesen Fällen sind Schutzvorkehrungen um die Bäume vorzusehen.
Neben Hecken, die in landwirtschaftlich geprägten Landschaften oftmals noch als Grenzmarkierungen dienten, zählen auch Windschutzstreifen und Uferrandstreifen zum Agroforst. Uferrandstreifen (der englische Fachbegriff lautet „riparian buffer strips“) sind Pufferstreifen am Rande landwirtschaftlicher Felder in der Nähe eines Baches, die dazu beitragen, den Bach zu beschatten und teilweise vor dem Eintrag landwirtschaftlicher Dünge- und Pestizidmittel zu schützen. Pufferstreifen spielen eine Schlüsselrolle bei der Erhaltung (bis zur Verbesserung) der Wasserqualität in den angrenzenden Gewässern.
Bild: Schweizer Bauer
Ökologischer Nutzen
Neben der langfristigen Steigerung der Wertschöpfung und Diversifizierung eines landwirtschaftlichen Betriebs, die auch wirtschaftliche Vorteile bieten, stellt der Agroforst insbesondere ökologische Funktionen zur Verfügung. Selbst in modernen Systemen mit Baum- und Heckenstreifen werden neue Lebensräume für Flora und Fauna geschaffen, die von den landwirtschaftlichen Tätigkeiten ungestört(er) bleiben. Bäume und Hecken mit ihrer Begleitflora bieten ganzjährig Nahrung und Unterschlupf. Agroforstsysteme erhalten bzw. fördern damit die Biodiversität.
Durch die Beschattung und den Windschutz sowie die tieferen Wurzelsysteme beeinflussen Bäume und Hecken auch kleinräumig das Klima und verursachen ein günstigeres Mikroklima. Der Windschutz kann bei dichten Hecken massiv sein. In jedem Fall verringern sich durch die reduzierte Windgeschwindigkeit die erodierenden Kräfte (die Bodenerosion nimmt ab) sowie die Verdunstung (von Boden und Vegetation). Letzteres trägt – wie auch die Beschattung – dazu bei, die Feuchtigkeit länger im Boden halten zu können. Durch das zunehmende und längere Auftreten von Hitzewellen spielt die Beschattung auch für die Tierhaltung eine immer größere Rolle, um das Tierwohl zu erhalten.
Der Laubfall der Bäume und Hecken kommt der Bodenfruchtbarkeit und Bodenstruktur zugute. Nach dem Absterben des organischen Materials wird dieses mechanisch und enzymatisch durch Bodenorganismen in einfachere organische Verbindungen und am Ende in Humus umgewandelt. Humus kann sowohl Wasser als auch Nährstoffe binden und wieder an die Pflanzen abgeben. Er stabilisiert das Bodengefüge und enthält die Hauptmasse des Bodenstickstoffs. Kurzum: Humus bestimmt maßgeblich die Bodenfruchtbarkeit und sein Aufbau wird von den langjährigen Gehölzen durch die Laubeinstreu gefördert. Außerdem stellt der Baum- bzw. Heckenstreifen eine Zone dar, die nicht durch Pflügen oder andere Bodenbearbeitungsmaßnahmen immer wieder gestört wird, wie es auf ackerbaulichen Flächen der Fall ist. Das alles trägt zum Bodenschutz bei und verringert die Bodenerosion.
Ebenfalls geschützt wird das Grundwasser. Die tiefen Baum- und Heckenwurzeln bilden eine Art Auffangnetz für (durch Düngung eingebrachte) Nährstoffe, die sonst ausgewaschen würden und ins Grundwasser gelangten. Stattdessen können diese Nährstoffe im Agroforst durch die tieferen Baumwurzeln nicht nur genutzt werden, sie gelangen sogar über den Laubfall, die spätere Zersetzung und Umwandlung des Laubes in Humus wieder in den Boden zurück.
Die Bäume und Hecken leisten auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz. Dazu im nächsten Beitrag mehr.
Bild: Delinat
Quellen:
Gordon, A.M., Newman, S. and Coleman, B.R.W. (eds) (2018) Temperate agroforestry systems. 2nd edition. Wallingford Boston, Mass: CAB International.
Mosquera-Losada, M.R., Moreno, G., Pardini, A., McAdam, J.H., Papanastasis, V., Burgess, P.J., Lamersdorf, N., Castro, M., Liagre, F. and Rigueiro-Rodríguez, A. (2012) ‘Past, Present and Future of Agroforestry Systems in Europe’, in P.K.R. Nair and D. Garrity (eds) Agroforestry – The Future of Global Land Use. Dordrecht: Springer Netherlands (Advances in Agroforestry), pp. 285–312. Available at: https://doi.org/10.1007/978-94-007-4676-3_16.
Jose, S. (2009) ‘Agroforestry for ecosystem services and environmental benefits: an overview’, Agroforestry Systems, 76(1), pp. 1–10. Available at: https://doi.org/10.1007/s10457-009-9229-7